Die Ellbogengelenksdysplasie (ED)

Der Ellbogen ist ein komplexes Gelenk, welches aus drei Knochen zusammengesetzt ist: dem Oberarm (Humerus), der Elle (Ulna) und der Speiche (Radius). Der Begriff der ED beschreibt insgesamt vier Erkrankungen des Ellbogengelenks, die einzeln oder zusammen auftreten können. Hierzu zählen der Fragmentierte Processus coronoideus, der Isolierte Processus anconaeus, die Osteochondrosis dissecans (OCD) und die Inkongruenz des Ellbogengelenks. Wird bei einem Hund eine oder mehrere dieser Veränderungen nachgewiesen, so spricht man von einer Ellbogengelenkdysplasie.

Am häufigsten betroffen sind junge bis mittelalte, großwüchsige Hunderassen. Insbesondere der Labrador Retriever, aber auch der Deutsche Schäferhund sind gehäuft von dieser Erkrankung betroffen. Eine erbliche Komponente wurde nachgewiesen. Allerdings sind ED-freie Elterntiere keine Garantie dafür, dass auch der Nachwuchs gesunde Ellbogengelenke hat. Inwiefern die Fütterung einen Einfluss auf die Entstehung einer ED hat, ist nach wie vor umstritten. Grundsätzlich wird aber empfohlen, bei der Junghunde-Ernährung nicht zu energie- und proteinreich zu füttern. Eine weitere Theorie besagt, dass Knorpelschäden als Folge von Mikro-Traumata (kleinen Verletzungen) der Blutgefäßversorgung im Gelenk entstehen können.

Meist bemerken die Besitzer eine Lahmheit der Vordergliedmaßen, der Hund „fällt“ hierbei auf die gesunde Seite. Unter Ruhighaltung und Schmerzmedikation wird häufig eine Verbesserung erzielt, allerdings kehrt das Humpeln unter Belastung schnell wieder zurück.

Nach einer gründlichen Untersuchung werden zunächst Röntgenbilder des Ellbogengelenks angefertigt. Häufig können hier schon Hinweise auf eine ED erkannt werden. Die Computertomografie bietet sehr fein auflösende Schnittbilder, in denen auch kleine Knorpeldefekte nachgewiesen werden können. Je nach Ausprägungsgrad der Lahmheit schließt sich dem CT dann die chirurgische Therapie der ED an.
Als Folge einer ED entsteht meist eine Arthrose, die wiederum zu Lahmheiten führen kann. Durch eine rechtzeitige und adäquate Therapie kann die Arthrose zwar nicht verhindert, aber in ihrer Entstehung abgemildert werden.

Der Fragmentierte Processus coronoideus
Die Fragmentierung des Kronfortsatz ist die häufigste Erkrankung im Komplex der ED. Meist werden die Hunde im jungen Erwachsenenalter vorgestellt, und zeigen eine klassische „Anlauf-Lahmheit“, die sich in der Bewegung bessert. Bei Druck auf den an der körperzugewandten Seite des Ellbogen befindlichen Kronfortsatzes reagieren die Hunde häufig schmerzhaft. Das Röntgenbild kann Hinweise für eine Coronoiderkrankung liefern, im CT ist das Fragment dann meist eindeutig zu identifizieren. Insbesondere bei Vorliegen einer Lahmheit sollte der abgebrochene Kronfortsatz im Rahmen einer Gelenkspiegelung (Arthroskopie) entfernt werden.


Abbildung: fragmentierter Processus coronoideus des linken Ellbogengelenks einer 8 Monate alten Golden Retrieverhündin. Darstellung im CT und anschließende Entfernung des Coronoids in der Arthroskopie

Die Ursache des FCP ist nicht eindeutig geklärt, man geht aber u.a. von einer Überlastung des körpernah gelegenen Gelenkanteils (sog. mediales Kompartment) aus. In der Folge kommt es zu einer verstärkten Abnutzung der dort befindlichen Knorpelanteile. Wird diese lokale Abnutzung auch in der Arthroskopie ersichtlich, so kann eine Umstellungsosteotomie mittels eines speziellen Implantates (Proximal Abducting Ulnar Osteotomy , PAUL) zu einer besseren Kräfteverteilung im Gelenk und einer Entlastung der schmerzenden Gelenkanteile führen.

Abbildung: Zustand nach Durchführung einer PAUL bei einem fünfjährigen Entlebucher Sennenhund

Der Isolierte Processus anconaeus
Der Processus anconaeus ist ein dreieckiger Fortsatz am hinteren Anteil der Elle, der zwischen die beiden Gelenkknorrens des Oberarmknochens in das Gelenk hineinragt, und so zur Stabilisierung des Ellbogengelenks beiträgt. Dieser Gelenkfortsatz besitzt bei großen Hunden eine eigene Wachstumsfuge (Apophyse), die sich spätestens im Alter von 20 Wochen schließt. Findet dieser Fugenschluss nicht statt, so verbleibt der Fortsatz als isoliertes Knochenfragment, und verursacht beim jungen Hund bereits Schmerzen, Entzündung und eine deutliche Lahmheit. Die Diagnose wird auf der Grundlage eines Röntgenbildes gestellt. Bis zu einem Alter von 24 Wochen kann der Fortsatz mittels Schraube oder Bohrdrähten fixiert werden. Ist der Hund älter, so empfiehlt man die Entfernung des Fortsatzes, da dieser nicht mehr zufriedenstellend anwächst.


Abbildung: Schäferhund im Alter von 21 Wochen mit einem Isolierten Processus anconaeus. Zustand nach Fixation mittels Bohrdrähten sowie 12 Wochen später nach Entfernung der Implantate

Die Osteochondrosis dissecans
Unter OCD versteht man eine Störung des Knorpel- und Knochenwachstums im Bereich der Gelenkfläche. Durch eine Schädigung in der Blutgefäßversorgung der gelenknahen Knochen- und Knorpelstrukturen kommt es zum Absterben einer umgrenzten Knorpelregion. Diese löst sich von ihrer knöchernen Unterlage, es bildet sich eine lose Knorpelschuppe, die sehr druckempfindlich ist. Prinzipiell kann eine OCD an beinahe jedem Gelenk im Körper vorkommen, neben der Schulter ist der Ellbogen am häufigsten betroffen.
Je nach Lokalisation des Knorpeldefektes kann dieser bereits im Röntgen sichtbar sein, ein CT hilft aber häufig bei der eindeutigen Diagnosefindung. Die Therapie besteht in der vollständigen Entfernung der Knorpelschuppe.


Abbildung: Jagdhund-Mischling im Alter von 7 Monaten mit einer OCD im Bereich des Oberarmknorpels. Darstellung im CT sowie in der Arthroskopie vor und nach Entfernung der Knorpelschuppe

Die Inkongruenz des Ellbogengelenks
Die drei Knochen des Ellbogens (Oberarm, Elle und Speiche) müssen für eine problemlose Funktion des Gelenks perfekt zueinander passen. Insbesondere Elle und Speiche müssen auf genau gleicher Höhe ineinander übergehen, so dass der halbkreisförmige Gelenkspalt an jeder Stelle gleich breit ist. Ist dies nicht der Fall, so spricht man von einer Inkongruenz des Gelenkes. Es kommt zu einem Ungleichgewicht in der Kräfteverteilung unter Belastung, und damit zu einem frühzeitigen Verschleiß bestimmter Knorpelareale. Als Folge einer Inkongruenz kann ein FCP oder IPA entstehen. Bei ausgeprägter Inkongruenz muss eine chirurgische Längenkorrektur der entsprechenden Knochen erfolgen.


Abbildung: Deutliche Stufenbildung zwischen Elle und Speiche bei einem jungen Basset. Zustand nach Ulnaosteotomie. Die Durchtrennung der Elle führt zu einer Angleichung der Gelenkflächen von Elle und Speiche. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer sekundären Knochenheilung der Elle.

Arthrose
Als Folgeerscheinung der ED kommt es zu einer übermäßigen Abnutzung des Gelenkknorpels mit begleitender Entzündung, Schmerzhaftigkeit und Steifigkeit des Gelenkes. Eine ursächliche Therapie der Arthrose existiert bis zum heutigen Tage nicht. Durch ein gutes Bewegungsmanagement, Physiotherapie, Schmerzmittel und Futterzusätze können die Symptome jedoch gemildert werden. Weiterhin stehen uns Gelenkinjektionen mit Hyaluronsäure oder aktivierten Thrombozyten zur Verbesserung der Knorpelregeneration zur Verfügung. Seit zwei Jahren bieten wir Stammzelltherapie zur Arthrosebehandlung an. Hierbei wird in einem kurzen, ambulanten Eingriff Unterhautfettgewebe gewonnen, aus dem in einem speziellen Verfahren Stammzellen hergestellt werden. Diese können dann in einer zweiten Sitzung in das betroffene Gelenk injiziert werden, und dort ihre entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung entfalten.

Abbildung: Arthrose am Ellbogengelenk einer 9 jährigen Schäferhündin (sog. Cubarthrose)